leben, arbeiten, Familie & Alltag

Um euch meine „neue Welt“ hier näher zu bringen, schreibe ich euch einmal meinen Tagesablauf auf und hoffe dabei möglichst viele Fragen zu meiner Familie, meiner Arbeit und meinem Alltag zu beantworten. Also:
3.00 Uhr: Ich wache auf weil einer der drei Hähne in meiner Nähe es auch tut und das sofort lautstark mitteilen muss. Die anderen beiden antworten natürlich in der selben Lautstärke. Außerdem war ich mal wieder viel zu früh im Bett und dose jetzt nur noch ein wenig vor mich hin. Manchmal muss ich auch jetzt schon suuper dringend auf Klo, weil ich bei den täglichen 34 Grad sehr viele Sachės getrunken habe. (so nennt man hier die 500ml Plastiksäckchen in denen Trinkwasser verkauft wird) In den letzten Wochen musste ich immer meine Taschenlampe schnappen und einmal über den Hof zu dem Verschlag laufen, in welchem sich eine Art Hügel mit Klobrille drauf über einem Plumpsklo befindet. Heute ist aber auch das Klo in meinem kleinen Häuschen fertig geworden und ich habe eine richtige Klosspülung und muss mich nur dazu aufraffen, einmal über den Flur zu tapsen.
5.00 uhr : Wenn ich einen meine sportlichen Tage habe (bei den riesigen Portionen von fettigem , aber leckerem essen, brauche ich dringend diesen Ausgleich und versuche mindestens einmal, lieber zweimal die Woche Laufen zu gehen, sonst Kugel ich zurück nach Deutschland), stehe ich jetzt auf und renne meine Runden um den Sportplatz (entspricht einer trockenen Wiese mit drei Stöcken an beiden Seiten als Tore). Wenn nicht, dann höre ich zu, wie auf dem Hof das Leben beginnt. Jetzt ist nämlich die Zeit, zu der der täglich Abwasch erledigt wird. Anfangs fand ich das frühe Aufstehen absolut grässlich, das hatte ich ja seit dem Abi im Mai nicht mehr getan, aber mittlerweile habe ich mich an den neuen Rhythmus gewöhnt.
5.30 Uhr: Entweder ich stehe jetzt auf oder ich komme, trotz früher Morgenstunde, absolut verschwitzt vom Laufen. Auf jeden Fall gönne ich mir jetzt eine Dusche. Im meinem eigenen kleinen Badezimmer habe ich sogar eine richtige Brause. Soweit ich das bis jetzt mitbekommen habe, ist das hier eine absolute Seltenheit.
6.00 Uhr: Ich gehe einmal über den Hof zu meiner Familie, wünsche einen guten Morgen und hole mir mein heißes Wasser ab. Frühstüchen tue ich alleine in meinem Wohnzimmer an meinem Ess- und Schreibtisch. Anfangs fand ich das befremdlich, aber da ich immer noch nicht heraus gefunden habe ob, wann und was meine Familie frühstückt, finde ich es sogar besser. Außerdem kann ich so neben meinem heißen Wasser mit Milchpulver und Kakao oder Schwarztee und Zitrone zu meinem Brot außer wiederlicher Butter/Margarine auch noch mein gutes altes Nutella auspacken, oder mir Marmelade oder Quiri kaufen. Dazu gibt es bei mir meistens noch Bananen und Orangen, von denen mir mein Gastpapa immer so viele vom Markt mitbringt, dass ich aufpassen muss, dass sie nicht vergammeln.
6.25 Uhr: Jetzt wird es Zeit sich auf den Weg zu Schule zu machen. Sobald ich den Hof verlasse, finde ich mich zwischen ganz vielen Grundschulkindėrn auf den Schulweg wieder, die mich alle mit großen Augen ansehen und respektvoll mit „Bonjour Madame“ begrüßen. Da fühl ich mich jedes mal viel alter als meine wenigen 18 Jahre. Auf meinem weiteren Weg treffe ich dann auch noch mehrere Erwachsenen , von denen die meisten sich freuen mit mir ein kurzes Pläuschchen zu halten. An einem Essensstand am Straßenrand werde ich jeden Morgen auf ewe (die Muttersprache der Leute in dieser Gegend) gefragt, wie es mir geht und wohin ich gehe. Die Freude ist jedes mal riesig und lautstark, wenn ich ebenfalls auf ewe antworte. Bevor ich ganz bis zur Schule gehe, hole ich noch Hanna, die andere Freiwillige in Gadjagan ab und albere ein wenig mit ihren Gastgeschwistern (1,3,7 und 9) herum.
6.40 Uhr: Wir kommen im CEG Gadjagan an und als erstes gibt es die morgendliche Versammlung. Alle Schüler stehen ordentlich in ihren Klassen und schauen dabei zu wie die togoische Flagge hoch gezogen wird, dann singt eine der 5 Klassen die Nationalhymne (die übrigens echt schön klingt) und der Schulleiter macht noch ein paar Ansagen.
7.00 Uhr: Der Unterricht beginnt. Oder auch nicht, je nachdem wie die Lehrer Lust haben. Da unser Kollegium aus nur 7 Lehren und dem Schulleiter besteht, haben Hanna und ich direkt beim Stundenplan machen (am dritten Schultag) unsere Klassen und Fächer zu geteilt bekommen. Ich bin jetzt die Mathelehrerin der 5iėme (= 7. Klasse). Direkt in der zweiten Woche wurde ich also vor 70 Schüler zwischen 12 und 17 Jahren gestellt und sollte beginnen. ( Die kleinste Klasse an unserer Schule sind 47 Schüler, die größte 130. Also hab ich echt noch Glück gehabt. Bei uns an der Schule ist es aber auch am extremsten, da hier der größte Lehrermangel herrscht. Die Altersspanne kommt dadurch zustande, dass man so oft man will wiederholen darf und auch mal ein Jahr aussetzten kann, wenn z.B. kein Schulgeld da ist.) Eigentlich klappt das unterrichten ganz gut. Aufgrund der Klassengröße ist eh nur Frontalunterricht möglich und alles lernen basiert auf wiederholen und aus wenig lernen. Nur wenn die Schüler etwas nicht verstehen oder so laaaaangsam arbeiten, stoße ich an meine französischen Grenzen. Aber das wird schon immer besser. Seit ich letzte Woche ein wenig rumgeschimpft habe, habe ich auch wieder relative Ruhe und aufmerksame Schüler. Wenn ich grade keinen Unterricht habe, Sitze ich im Lehrerzimmer, was ein runder offener Pavillon mit Strohdach mitten auf dem Hof ist, und bereite Unterricht vor oder quatsche mit den anderen Lehrern. wenn ein Lehrer irgendetwas haben möchte, ruft er einmal „kssssssss“ über den Schulhof und lässt sich bedienen. Auch meine Tasche wird schon von fleißigen Schülern in den Klassenraum und wieder zurück getragen.
9.45 Uhr: Nach drei Stunden a 55 Minuten, die von einem der Lehrer mit einer Trillerpfeife als Schulklingel angekündigt werden, ist Pause. Genau wie bei uns gibt es auch hier Mütter, die sich um die kulinarische Pausenverpflegung kümmern. Meine Gastmama verkauft dort z.B. super süßen Saft in kleinen Plasticksäckchen, bei dessen Abfüllen ich Nachmittags manchmal helfe.
bis 12.00 Uhr: Wenn ich mit meiner einen Stunde Unterricht am Tag und dessen Vorbereitung fertig bin und genug vom rum sitzen habe, kann ich nach Hause gehen. Für die Schüler beginnt die dreistündige Mittagspause um 12. Noch gehe ich nachmittags nicht zurück in die Schule, da ich eh noch nicht blicke, was dann läuft. Aber bald werde ich mit der Hanna zusammen den Chor unserer Vorfreiwilligen versuchen weiter zu führen und mal sehen, ob ich Nachhilfe anbieten kann.

12.00 Uhr: Wieder zu Hause angekommen Wäsche ich meine Wäsche (natürlich mit der Hand. Anfangs hab ich mich wohl sehr dämlich angestellt und mir wurde ständig alles aus der Hand gerissen, aber mittlerweile habe ich Fortschritte gemacht), helfe bei der Saft Produktion oder Sitze einfach nur mitten im Leben auf dem Hof, gucke beim Kochen zu und versuche meine Hilfe an zu bieten. Schließlich gibt es Essen. Draußen im Hof wird auf weißen Plastickstühlen mit einem kleinen Holzschemel als Tisch mit den Händen gegessen. Das macht echt Spaß und langsam bekomme ich auch ein wenig Übung. Die Teller oder Schüsseln werden dabei geteilt. Mittlerweile zum Glück auch mit mir. So viele ich mich schon echt gut integriert. Auch wenn es jedes Mal super lecker ist, muss ich mich immer noch rechtfertigen, dass ich kleine Mensch neunmal nicht unendlich viel in mich rein stopfen kann.
13.30 Uhr: All die neuen Eindrücke und das ganze Nachdenken beim Sprechen schaffen mich unglaublich und ich brauche erstmal einen Mittagsschlaf. Danach muss dringend der ganze Schweiß abgewaschen werden.
14.30 Uhr: Ab jetzt ist jeder Tag unterschiedlich. Manchmal fahre ich die Freiwilligen in den anderen Dörfern besuchen, manchmal nach Kpalimė (=2o Minuten mit dem Auto) zu ASTOVOT, um auch mal Internet zu haben, einmal war ich mit meiner Gastmama auf dem Markt und manchmal klimpere ich einfach ein wenig auf der Gitarre herum und faulenze.
18.00 Uhr: Jetzt ist es schon stockdunkel und alle sitzen draußen im Hof, quatsch, lachen und die Frauen kochen nebenbei. Wenn etwas fehlt, wird einfach eines der Kinder nochmal losgeschickt.Also ungefähr dreimal pro Abend. Manchmal begleite ich meine eine Schwester Akpe (17) und kann endlich mal unbeobachtet von den Eltern mit ihr tratschen. Mein Bruder Abėete (14) versucht mir oft noch mehr ewe beizubringen und der kleine Martin (6) hilft freudig und gemeinsam amüsieren sich alle über meine Aussprache. Nach dem Abendessen spielen wir manchmal noch eine Runde UNO (ein Gastgeschenk), ich helfe bei den Hausaufgaben oder versuche Gitarre bei zu bringen (das ist immer wieder eine Attraktion für den ganzen Hof. Jeder will einmal, egal wie alt.
20.00 Uhr: Ich zwinge mich noch nicht allzu früh zu schlafen, gebe aber meistens um neun auf. Die vielen neuen Menschen, Eindrücke und Gewohnheiten machen mich jeden Tag fertig. Aber das ist gut so und ich bin glücklich 🙂
das Wochenende: was ich an den anderen Tagen so treibe? Dazu schreibe ich euch nächstes Mal etwas!
Eigentlich würde ich ja gerne noch ein paar Fotos zeigen. Leider ist das Internet oft sehr langsam und es würde ewig dauern, sie hoch zu laden…

4 Gedanken zu “leben, arbeiten, Familie & Alltag

  1. Du hast wieder sehr lebendig und anschaulich geschrieben, danke. Am schönsten finde ich deinen Satz: „Aber das ist gut so und ich bin glücklich.“ Wir sind in Gedanken viel bei dir und wünschen dir von Herzen, dass das Glück bleibt. Opa Joachim – und ganz feste Umarmung auch von Oma

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  2.   Danke für diesen lebendigen und anschaulichen Bericht. Er bringt uns dir sehr nahe. Wir denken viel an dich. Am schönsten finden wir deinen Satz: „Aber das ist gut so und ich bin glücklich.“ Dass du das bleibst, wünschen wir von Herzen. Opa Joachim – und ganz feste Umarmung auch von Oma  

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  3. Hallo Kiki, ich war am 8. Oktober mit der Schweizergruppe, zu der auch Fabienne gehörte, in Gadjagan und beim CEG. Ich habe von Fabienne die Adresse zu Ihrem und zu Hanna’s Blog erhalten. Ich habe alle Ihre Einträge gelesen. Da ich das Dorf Gadjagan seit vielen Jahren (1990 erster Besuch) und von zahlreichen Besuchen kenne, interessiere ich mich sehr für Ihre Berichte und Erlebnisse. Ich lese Ihre Blogs regelmässig 🙂 Ich bewundere Sie junge Leute, dass Sie dieses einjährige Abenteuer wagen!! Ich melde mich wieder. Herzlich alles Gute. Erika Berger

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  4. Hallo Kiki, deine Rundschreiben gefallen mir, auch wenn ich das der Welt via Facebook noch nicht mitgeteilt habe. Ich bin selbst auch von Afrika angetan, obwohl ich bisher nur 2 Wochen in der marokk. Sahara gewesen bin. Bin wissbegierig und ein bisschen neidisch. Kleines bisschen.
    Ich wüsste gerne noch, wie man sich euer Dorf, die Häuser vorstellen muss. Kannst du inzwischen die Gesichter gut auseinander halten, weil ich da bei den Nigerianern, die vor Jahren bei uns ein und ausgingen, einige Probleme damit hatte und unser schwarzer Freund hatte die gleichen mit den weißen Gesichtern?
    Viele Grüße, Theo

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